Polizei und Verfassungsschutz am 10. Mai 2013 in Regensburg

21. Mai 2013

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Die Polizei meldet: „Eilversammlung ruft Gegendemonstranten auf den Plan“

10. Mai am Hauptbahnhof: Der Nazi-Pulk versuchte mehrfach die Polizeikette zu durchbrechen. Mehrfach wird zugeschlagen. Journalisten werden bedroht und gefilmt. Foto: as

10. Mai am Hauptbahnhof: Der Nazi-Pulk versuchte mehrfach die Polizeikette zu durchbrechen. Mehrfach wird zugeschlagen. Journalisten werden bedroht und gefilmt. Foto: as

Legt man die Pressemeldung des Polizeipräsidiums Oberpfalz zugrunde, dann wusste die Polizei sehr wohl Bescheid über die „Privatperson“, von der Ornungsamtschef Santfort als Anmelder der Nazi-Eilversammlung gesprochen hatte: Anmelder war „ein in Niederbayern wohnhafter Mann, der der rechten Szene zuzuordnen ist.“

Nach Angaben der Einsatzleitung gegenüber der MZ sollten die Einsatzkräfte die angemeldete Demonstration (der Nazis) durchsetzen. Über die Gründe, warum man sich dazu nicht in der Lage sah, macht die Pressemeldung keine weiteren Angaben, auch nicht über die Einsatzstärke, „aus polizeitaktischen Gründen“. Deutlich wird lediglich, dass man sich zwischen oder über zwei Lagern sah, dem rechten Lager und 250 Gegendemonstranten. Hier die Lage aus Polizeisicht:

Das rechte Lager hatte für die Versammlung ca. 70 Personen mobilisiert, die sich gegen 20.15 Uhr von der Grünanlage beim Hauptbahnhof aus in Richtung Innenstadt in Bewegung setzten. Zeitgleich formierten sich ca. 250 Gegendemonstranten um die rechte Versammlung. In der Maximilianstraße hinderten die Gegendemonstranten die Personen des rechten Lagers daran, ihren angemeldeten Weg in Richtung Innenstadt fortzusetzen. Nachdem der Aufzug nicht auf der geplanten Strecke stattfinden konnte, begab sich die Gruppe zum Bahnhof zurück und reiste anschließend ab ca. 21.15 Uhr ab. Während des gesamten Geschehens musste die Polizei wiederholt einschreiten und dafür sorgen, dass es zu keinen Übergriffen zwischen den beiden Lagern kam.“

Verfassungsschutz konstatiert: „erhöhte Gewaltbereitschaft in der Auseinandersetzung zwischen den rechts- und linksextremistischen Lagern“

Während sich mindestens 300 Regensburger und Regensburgerinnen zusammen mit mindestens ebenso vielen Freundinnen und Freunden darüber freuten, dass es ihnen gelungen war, die Nazis im Ansatz zu stoppen, presst die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) im Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz“ die dürre Pressemeldung der oberpfälzer Polizei in das berüchtigte Extremismus-Schema. Das liest sich dann so:

„Nachdem sich die rechtsextremistische Eilversammlung vom Hauptbahnhof aus in Richtung Innenstadt in Bewegung setzte, hinderten nahezu 250 Gegendemonstranten, davon mehr als die Hälfte aus dem linksextremistischen Spektrum, die ca. 70 Rechtsextremisten daran, ihren Weg in Richtung Innenstadt fortzusetzen. Die Polizei mußte wiederholt einschreiten, um ein direktes Aufeinandertreffen der gewaltbereiten Demonstranten zu verhindern.“ Hier beklebt die BIGE „mehr als die Hälfte der Gegendemonstranten“ – Menschen, die sich den Nazis in den Weg stellten – willkürlich und absichtlich mit dem Etikett „linksextremistisch“.

Die Diskreditierung des Engagements gegen Nazis ist der originäre Beitrag der BIGE im „Kampf gegen Extremismus“. Das reicht aber noch nicht. Abschließend unterstellt die BIGE „den rechts- und linksextremistischen Lagern“ „eine erhöhte Gewaltbereitschaft“:

„Die Demonstrationslage vor Ort bestätigt die Erfahrung, dass seit Aufdeckung der Morde des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) eine erhöhte Gewaltbereitschaft in der Auseinandersetzung zwischen den rechts- und linksextremistischen Lagern vorhanden ist.“

Damit rückt die BIGE „mehr als die Hälfte der Gegendemonstranten“ an die Grenze der Kriminalität und delegitimiert deren demokratisches Engagement. Mit einer Beschreibung der Realität am 10. Mai vor dem Regensburger Bahnhof hat das alles nichts zu tun. Hier zählt nur noch die Funktion der BIGE als staatliches Disziplinierungsinstrument.

Statement eines engagierten Augenzeugen

Um wieder in die Realität zurück zu kehren, zum Schluss noch eine Stimme aus dem Netz:

„Gestern gab es eine Nazi-Kundgebung des „Freien Netzes Süd“, die dank engagierter Regensburgerinnen und Regensburger kaum 100 m weit kam, und somit die Stadt von rechten Parolen und Gewalttaten verschont blieb. Es bleibt jedoch die sehr berechtigte Frage, wie es sein kann, dass diese Kundgebung so kurzfristig und ohne Widerstand von der Stadt Regensburg genehmigt wurde. Schließlich wurde diese von gewaltbereiten und einschlägig vorbestraften Neonazis aus ganz Bayern organisiert.“

Nachtrag zur BIGE bzw. dem Verfassungsschutz

BIGE diffamiert

BIGE diffamiert

Die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus im Landesamt für Verfassungsschutz“, deren acht Mitarbeiter sich aus Verfassungsschutz und Polizei rekrutieren, betätigt sich in zivilgesellschatlichen Zusammenhängen, Schulnetzwerken und gegenüber kommunalen Verwaltungen. Eine gesetzliche Grundlage dafür gibt es nicht. „Zu den Aufgabenfeldern der BIGE gehören sowohl der Rechts- als auch der Linksextremismus.“

Die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder treiben sich seit einiger Zeit in der politischen Bildung herum. Neben der Aufpolierung ihrer ruinierten Reputation dient dieses Herumfuhrwerken in der Erwachsenen- und Jugendbildung, in Schulen und Hochschulen, in gesellschaftlichen Initiativen und Bündnissen der Ausgrenzung kritischen Engagements, der Delegitimierung von Demokratiearbeit und der Diffamierung unabhängiger Initiativen. Das bayerische Instrument dafür ist die BIGE. Geheimdienste haben in der Bildungsarbeit nichts verloren.