Für eine Erinnerungskultur, die dem Leiden und Sterben der Menschen im KZ Außenlager Colosseum gerecht wird II

17. September 2011

Bei einer Kundgebung am 16.09.2011 vor dem Colosseum in Stadtamhof forderte das Bündnis „Kein Platz für Neonazis in Regensburg“ eine Erinnerungskultur, die dem Leiden und Sterben der Menschen im KZ Außenlager Colosseum in Würde gerecht wird.Anlass des Protests war und ist eine Bodenplatte der Stadt, die „viele Gemüter zum Kochen bringt“ (MZ, 17.09.2011).„In Reden von Luise Gutmann (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) und Reinhard Kellner (Soziale Initiativen) hagelte es Kritik an der Erinnerungspolitik der Stadt Regensburg.“ (regensburg-digital)Noch während der Kundgebung stellte sich Bürgermeister Joachim Wolbergs der Kritik der über 100 Teilnehmer. Die Diskussion wird weitergehen. Wir dokumentieren hier die Rede der VVN-BdA.Berichtet haben die Mittelbayerische Zeitung und regensburg-digital.de http://www.regensburg-digital.de/colosseum-burgermeister-fordert-eigentumer-zum-einlenken-auf/16092011/http://www.mittelbayerische.de/index.cfm?pid=10071&pk=705824&p=1

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschisten ! Wir sind heute hier zusammengekommen, weil wir Anstoß nehmen. Wir nehmen Anstoß an einer Bodenplatte, die vor einem halben Jahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit klammheimlich hier versenkt wurde. Die Heimlichkeit machte Sinn, denn der Text der Bodenplatte ist zum Schämen.

Autoren der unsäglichen Inschrift sind der Archivleiter der Stadt, Heinrich Wanderwitz, und der städtische Kulturreferent, Klemens Unger. Die drei Bürgermeister der Stadt haben diesen Text gebilligt. Um es vorweg zu sagen, der Text spiegelt die offizielle Erinnerungspolitik in Regensburg wider. Diese Erinnerungspolitik verharmlost, beschönigt und verschweigt, wenn es um Nazis und deren Verbrechen in Regensburg geht. Das exakt spiegelt der Text der Bodenplatte wider. Was sagt der Text der Bodenplatte aus? Hier gab es den ehemaligen Gasthof „Colosseum“, in dem „Häftlinge des Konzentrationslagers Flossenbürg untergebracht“ waren. Vor dem Haus mussten sie zum Appell antreten. Verschwiegen wird, dass das KZ-Außenlager „Colosseum“ für 400 Menschen ein Ort der Hölle war, des Leidens und des Sterbens. 65 starben hier an den Folgen der mörderischen Zwangsarbeit und der Unterbringung. Am 23. April 1945 begann hier der letzte Marsch der KZ-Gefangenen. Am Ende erlebten 50 ihre Befreiung in Laufen an der Salzach.

Alljährlich erinnert die VVN am 23. April an den Todesmarsch der Gefangenen des „Colosseums“. An diesem Tag wird sichtbar der Opfer von Faschismus und Krieg in Regensburg gedacht. Nur an diesem Tag wird Regensburg für die Nachgeborenen zum Erinnerungsort. Denn einen Ort des Gedenkens für die Nazi-Opfer gibt es nicht. Nirgendwo erfahren Schülerinnen und Schüler in Regensburg, wie es damals war, als jüdische Kinder in den Tod deportiert wurden. In dieser Stadt fehlt ein authentischer Ort, der Widerstand und Verfolgung dokumentiert. Das öffentliche und sichtbare Gedenken an Verfolgung und Widerstand in Regensburg muss bis heute gegen die CSU und die von ihr dominierte Stadtverwaltung durchgesetzt werden. Das historische Museum der Stadt konzentriert sich in seinen Ausstellungen auf die Gründung, die Frühzeit und das Mittelalter der Stadt. Doch dann ist Schluss mit der öffentlichen Stadtgeschichte. Faschismus und Krieg haben um Regensburg einen Bogen gemacht. Und so kommt es, dass die Schulkinder in Regensburg sehr genau über das Pogrom von 1519 und die Wallfahrt zur „Schönen Maria“ genau Bescheid wissen, aber nicht, wann die Synagoge in Regensburg erneut brannte, angesteckt von den Nazis. Die jüdische Gemeinde wurde erneut vertrieben, deportiert und ermordet. Auch für sie gibt es keinen öffentlichen Ort des Gedenkens.

Für die Täter und Helfershelfer mangelt es nicht an öffentlicher Anerkennung und Ehrung. Davon zeugen Ehrenbürgerschaften, Straßennamen und Schulgebäude. Zum Beispiel die Hans-Herrmann-Schule. Hier können die Schülerinnen und Schüler lernen, wie geschmeidig Karriere gestaltet wird. Hans Herrmann war zunächst in der Weimarer Republik Mitglied der Bayerischen Volkspartei, sodann Mitglied in der Nazipartei und schließlich wurde er Mitbegründer der CSU in Regensburg und Oberbürgermeister dieser Stadt.

Wir sagen: Es ist eine Schande, dass diese Stadt bis heute den 65 Toten und den Gefangenen des „Colosseums“ ein ehrendes Gedenken verweigert. Deshalb muss die Bodenplatte demontiert und eine Tafel mit dem „richtigen“ Text am Haus angebracht werden.

Wir sagen aber auch, es ist heute, nach 66 Jahren die Aufgabe einer kritischen Stadtgesellschaft, diese Lücke zu füllen. Regensburg braucht, was viele Städte in Bayern längst haben, einen Ort, der die lokale Geschichte von Verfolgung und Widerstande ebenso dokumentiert wie die Schreckensherrschaft der Nazis.

Empört Euch gegen die Verharmlosung und Verfälschung der Geschichte in dieser Stadt!