Stoppt die Nazis – Hinschauen – Stoppt die Politik, die sie gewähren lässt!

geschrieben von Ernst Grube

22. Mai 2009

Am 26. Juni 1945 kam ich – befreit – aus dem Konzentrationslager Theresienstadt nach München zurück. Meine Eltern, mein Bruder und die Überlebenden der Konzentrationslager waren fest davon überzeugt, dass der Faschismus in unseren Land keine Chance mehr hat. Wir vertrauten fest auf den Beschluss des Potsdamer Abkommens, in dem es heißt: „Die Nationalsozialistische Partei mit ihren angeschlossenen Gliederungen und Unterorganisationen ist zu vernichten; alle nationalsozialistischen Ämter sind aufzulösen; es sind Sicherheiten dafür zu schaffen, dass sie in keiner Form wieder auferstehen können; jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und Propaganda ist vorzubeugen“.

Heute, 64 Jahre nach der Niederschlagung des Faschismus jubeln sie wieder. Die Nazis sind wieder wählbar. Sie sitzen in über 200 Kommunal-, Kreis- und Bezirksparlamenten und sind in zwei Landesparlamenten vertreten. Sie marschieren in München, in Landsberg, in Gräfenberg, in Augsburg u.a. Städten und Gemeinden. Durch ihr martialisches Auftreten provozieren sie die Bevölkerung und verletzen die humanen und religiösen Gefühle vieler Menschen. Sie verbreiten Fremdenhass, Antisemitismus und Rassismus. Mit brutaler Gewalt verfolgen sie Ausländer, sozial Schwache und politische Gegner – bisher wurden über 1000 Menschen verletzt und über 130 Menschen ermordet. Und sie verbreiten Angst. Sie gehen in Veranstaltungen, ergreifen das Wort, terrorisieren die Anwesenden und erreichen so, dass selbst die kommunalen Vertreter sich in Wort und Tat zurückhalten. Grundlage des Handelns der Neonazi sind politische und ideologische Ideen des Faschismus und des Nationalsozialismus. Sie bekämpfen das Grundgesetz der BRD mit dem Ziel einen Führerstaat aufzubauen. Gegen dieses Auftreten der Neonazis und der NPD haben sich breite Bündnisse entwickelt. Gewerkschaften, Parteienvertreter, Kirchenvertreter, kommunale Einrichtungen u. a. haben sich zu Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Wir als VVN-BdA sind vielfach Teil dieser Bündnisse. Doch diese zutiefst demokratischen Aktivitäten gegen die Neonazis stoßen vielfach auf Widerstand der Staatsorgane, wie Verfassungsschutz, Verwaltungsgerichte und Polizei. Organisationen wie a.i.d.a, die Informationen über neonazistische Aktivitäten und Pläne sammelt, oder die VVN/BdA, die Organisation ehemaliger KZ-Häftlinge und Verfolgter des Nazi-Regimes werden als linksextremistisch diffamiert und so politisch ausgegrenzt. Bürger, die sich gegen Neonazis aktiv wehren, werden erkennungsdienstlich erfasst und verurteilt, wie dieser Tage in Gräfenberg geschehen. Weil sich 80 Bürger, Schüler, Rentner u.a. gegen die Provokationen der Neonazis durch einen spontanen Sitzprotest gewehrt haben, wurde bisher der Sprecher des Bürgerforums, Michael Helmbrechts, wegen „Versammlungssprengung (der Neonazis) zu 30 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Und nicht nur das! Während ich hier rede, können Neonazis, die „Freien Nationalisten München“, an dem Tag , an dem das Grundgesetz hervor gehoben wird, in München ungehindert unter Polizeischutz für die Abschaffung des § 130 des Strafgesetzbuches demonstrieren. Dieser § 130 stellt Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust unter Strafe. Ein Kernbestand des GG wird dadurch vom bayrischen Staat nicht mehr verteidigt. Von seiner Justiz freigegeben für die Neonazimeute! Der Vorsitzende des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Bayern, Herr Schuster, hat kürzlich in Dachau, in seiner Rede anlässlich der Feierlichkeiten zur Erinnerung an die Befreiung gesagt. Ich zitiere ihn ausführlich: „Ist es normal, dass es im demokratischen Deutschland des Jahres 2009 unmöglich ist, eine rechtsextreme Partei, welche unseren demokratischen Überzeugungen widerspricht, zu verbieten, bzw. diese Schlange an der Brust der Demokratie noch gestillt wird, indem man sie finanziert? Wie müssen wir es verstehen, wenn z.B. der Bayrische Verwaltungsgerichtshof einen Heldengedenkmarsch der „Freien Nationalisten München“ nicht verhindert, wie letzten Herbst geschehen? Und da war dann noch der traurige Höhepunkt des Jahres 2008. Eine Zäsur im Umgang mit Rechtsradikalismus: der Polizeichef von Passau, Alois Mannichl, wurde vor seinem Haus von einem vermuteten Neonazi niedergestochen und schwer verletzt. Stets ging Her Mannichl konsequent mit allen Rechtsmitteln gegen braune Aufmärsche vor. Gegen Verunglimpfung seiner Person musste er sich sogar privat an einen Rechtsanwalt wenden. Dabei ist es für die Judikative scheinbar unmöglich, einen Aufmarsch von Neonazis in Passau zu verhindern, indem sich diese menschenverachtende Gruppierung noch gegen „Polizeiwillkür und Medienhetze“ beklagt. So geschehen im Januar in Passau. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG beklagte, dass dieses „widerliche Ereignis“ die Verwaltungsgerichte erst ermöglichen. Keine Worte haben wir, dass dieser Umzug der Schande sogar die Möglichkeit erhielt, am Mahnmal der Opfer des Nationalsozialismus vorbei zu ziehen. Das meine Damen und Herren, ist Verhöhnung der Opfer sowie ihrer Nachkommen in Reinkultur und eines demokratischen Nachkriegsdeutschland nicht würdig. Im Januar dieses Jahres wird die nationale Holocaust-Gedenkstätte mit mehr als einem Dutzend Hakenkreuzen entehrt, jährlich müssen wir Schändungen jüdischer Friedhöfe beklagen und immer wieder folgen bestürzte Kommentare und bestürzte Gesichter und Absichtserklärungen, dass man gegen diese „braune Saat“ mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen müsse. Doch es hat den Anschein, dass diese Erklärungen bis heute nur Worthülsen sind.“ Nach offiziellen Erkenntnissen gibt es in der BRD ca. 10.000 gewaltbereite Rechtsextreme, zum großen Teil junge Menschen, davon etwa 1100 in Bayern. Dazu kommen all diejenigen, die die Nazi-Ideologie gut heißen und diese auch verbreiten. Solange die neofaschistische NPD das Parteienprivileg genießt und mit allen materiellen, finanziellen und organisatorischen Vorteilen ausgestattet ist, wird sie ihren politischen Einfluss und Terror verstärken. Gerade hier in Bayern, wo der der Nährboden für Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus so groß ist. Kein demokratischer Mensch, keine demokratische Einrichtung, keine Kommune kann dafür sein, dass Neonazis wieder wählbar sind, und dass wir gezwungen sind, deren verbrecherische Politik und Gewalt gegen uns zu finanzieren. Ein Verbot erübrigt nicht Aufklärung und Auseinandersetzung mit neonazistischen Strömungen und Umtrieben. Ein Verbot der NPD würde den Aktionsradius der Neonazis auf Jahre hinaus entscheidend einengen. Nicht nur,weil ihre finanzielle Basis ausgetrocknet würde. Sondern auch, weil es dann nicht mehr möglich wäre, unter dem Deckmantel von Bürgersprechstunden und Nachbarschaftsfesten Agitation zu betreiben und dabei von der Polizei noch geschützt zu werden. Diese staatlich geschützte und gestützte Basis muss den Neonazis durch ein Verbot der NPD entzogen werden, damit sie nicht weiter junge Menschen über Aufmärsche wie z.B. in Wunsiedel, Gräfenberg, München, Nürnberg und durch zahllose Konzerte bei sich organisieren können. Es ist vor allem die legale NPD, die die Voraussetzungen bietet, dass Jugendliche in den Dunstkreis der faschistischen Ideologie kommen. Ein Verbot ist möglich, wenn die Innenminister sich darauf einigen die V-Leute in den Vorständen der NPD abzuziehen. Alle relevanten Informationen werden über ganz normale Quellen gewonnen. Diese „staatlich bezahlten Provokateure“, so der Innenminister Steger (SPD) aus Schleswig Holstein, sind dazu nicht nötig. Seit Jahren kämpfen wir gegen die Neonazis und für die Verteidigung der Demokratie: in Bürgerinitiativen, an runden Tischen, in Vorträgen und Veranstaltungen zeigen wir unseren Widerstand gegen das Wirken der Neonazis. Für mich, als Überlebender der Judenverfolgung, ist das Wachhalten der Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes wichtig, um den Spielraum rechtsextremer Ideologie und Politik einzuschränken. Ich stimme der Aussage des Kollegen Dürr vom DGB zu: „Das Grundgesetz ist eine gute Verfassung“ Es ist jedoch nicht mehr das Grundgesetz von 1949 !! Wenn heute in Berlin die Vertreter der Politik und der Parteien den 60. Jahrestag des Grundgesetzes feiern, so feiern sie ein Gesetz in dem wesentliche Grundrechte in ihrem „Wesensgehalt“ verändert oder ganz beseitigt wurden. Das sind, um einige Beispiele zu nennen: Das durch die Einführung der Drittstaatenregelung praktisch aufgehobene Asylrecht – für politisch Verfolgte (Art.16 und 16a) Die Privatsphäre ist aufgehoben durch: Die Verletzung des Brief -,Post-und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10) und den jetzt jederzeit möglichen Zugang durch Staatsorgane in den Wohnbereich (Art.13) Das Verbot nach Artikel 26, einen Angriffskrieg vorzubereiten, ist ausgehebelt. Diese Veränderungen des Grundgesetzes konnten nicht von heute auf morgen erreicht werden. Meist hat es Jahre gedauert bis sie gegen den Widerstand verschiedener Bevölkerungsteile durchgesetzt wurden. Auch heute gibt es massive Bestrebungen in der Regierung das Grundgesetz weiter negativ zu verändern, indem sie z.B. den Einsatz der Bundeswehr im Inneren erreichen wollen. Das müssen wir verhindern. Es ist unsere Aufgabe das Grundgesetz, so wie es heute noch ist, vor weiteren Angriffen zu schützen.