23. April 1945
17. Februar 2008
Hunderte – vor allem Frauen forderten am 23. April 1945 in Regensburg auf dem Moltkeplatz vor dem Neuen Rathaus die kampflose Übergabe der Stadt. Sie riefen: „Gebt die Stadt frei!“ und „Gott erhalte Regensburg!“ Was hatte die Frauen auf die Straße gebracht? Die Lage war seit Tagen gespannt. Berta Rathsam, eine Teilnehmerin der Demonstration,schildert die vorangegangenen Tage:
„Die Kriegsfront rückte näher für uns, über Würzburg, das noch am 16. März 1945 innerhalb von zwanzig Minuten ein Flammenmeer war mit fünftausend Toten; über Nürnberg, das – in Grund und Boden bombardiert – am 19. April von den Amerikanern genommen war; Neumarkt von auswärtiger SS noch „verteidigt“, stand am 20. April in Flammen und war zum Schluss ein einziger Trümmerhaufen. … Die Fliegeralarme Tag und Nacht wurden allmählich so häufig, dass man sich sein Nachtquartier schließlich gleich im Keller einrichtete, statt ständig aufgeschreckt mit dem Notgepäck in den Luftschutzkeller dort hinunter zu rennen und zu flüchten.
Am Montag früh ging es wie ein Lauffeuer durch die Stadt, sich zu einer Frauenkundgebung auf dem Moltkeplatz um 14 Uhr einzufinden. Die einen hörten, dass ein SS-General sprechen werde, die anderen, dass Chefarzt Dr. Ritter sich für seine Kranken einsetze. Einem jeden aber kam es wie eine endliche Lösung und Erlösung, so dass es nur den Funken des Aufrufes brauchte, um allgemein zu zünden.“
Am Sonntag, am 22. April, hatte Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Ludwig Ruckdeschel in einer fanatischen Rede im Velodrom die Verteidigung der Stadt bis zum letzten Stein gefordert. Regensburg war zur Festung erklärt. Die Kampfgruppe der Wehrmacht mit Gefechtsstand im Taxisschloss hatte Befehl, die Stadt wie eine Insel rundum zu verteidigen. Für Städte, die zu Festungen erklärt waren, galt ein Befehl von Feldmarschall Keitel, RFSS Himmler und Reichsleiter Bormann vom 12. April 1945 zur Verteidigung bis zum äußersten.
Die Frauendemonstration wollte das Gegenteil: die Kapitulation. Die Frauen hatten ihre Kinder dabei und kamen mit weißen Tüchern.
Zwischen 17 und 18 Uhr war alles in heller Aufregung vom Moltkeplatz (heute Dachauplatz) bis zur Kreisleitung (heute IHK, Einbiegung zum Ernst-Reuther-Platz). An der Ecke Von-der-Tann-Straße stieg Domprediger Dr. Johann Maier auf eine Luftschutzlamelle, nahm die Forderung der Frauen auf, wollte den Aufruhr beruhigen. Ein Gestapobeamter in Zivil riss ihn von seinem Standplatz. Die Menge wollte ihn nicht hergeben. Polizei ergriff Josef Zirkl und noch einige, die ihn befreien wollten.
Gegenüber in der Kreisleitung wurde Michael Lottner erschossen.
Das Standgericht verurteilte Dr. Johann Maier und Josef Zirkl noch in derselben Nacht wegen Wehrkraftzersetzung zum Tod durch den Strang. Gauleiter Ruckdeschel, der sich bereits nach Schloss Haus abgesetzt hatte, betrieb von dort aus die sofortige Vollstreckung des Urteils. Er bestand darauf, dass der Domprediger seine Amtskleidung ausziehen und in lächerlichen, schäbigen Klamotten, die ihm viel zu klein waren, sterben musste. „Die Regensburger sollen einen Schock haben – morgen“, sagte Gestapo-Chef Sowa.
Am Morgen des 24. sahen die Regensburger und Regensburgerinnen ihren Domprediger hängen, neben ihm Josef Zirkl und am Boden Michael Lottner.
Auch Regensburg wäre – wie Nürnberg oder Würzburg der Bombardierung nicht entgangen. Erst drei Tage später, als in der Nacht zum 27. April die „Kampfgruppe Regensburg“ der Wehrmacht ihre Festung verlassen hatte, stoppten die Amerikaner die bereits befohlene Bombardierung: Das ‚mittelalterliche Wunder Deutschlands‘ war der Zerstörung entgangen.
Ebenso entgangen sind die Verantwortlichen der Sühne: Als Ergebnis der Prozesse von 1948 und 1949 blieben sie unbehelligt oder kamen mit geringen Strafen davon.
Gauleiter Ruckdeschel, zu 8 Jahren verurteilt, wurde 1952 freigelassen und übernahm 1954 die Leitung des Volkswagenwerkes in Hannover.