Beitrag der VVN-BdA zum Gedenkweg 2014

23. April 2014

23. April Plakat - Demoaufruf

Luise Gutmann am 23. April, dem Antifaschistischen Gedenktag Regensburgs:

Wir sind an der letzten Station des Gedenkwegs, auf dem Dachauplatz angekommen. Ein langer Weg und eine lange Geschichte liegen hinter uns.

„Nehmt eure Kinder mit und weiße Tücher und schreit fest.“ Das war am 23. April 1945 der Aufruf zur „berühmten“ Frauendemonstration, die die kampflose Übergabe der Stadt an die amerikanischen Truppen forderte. Der Domprediger hatte das Wort ergriffen – eher beschwichtigend, aber er nahm die Forderung der Frauen auf. Ein Gestapobeamter riss ihn vom Sockel. Weitere Festnahmen folgten. Am nächsten Tag sahen die Regensburger den Domprediger hängen, hier auf dem Dachauplatz an einem provisorischen Galgen, neben ihm hing Josef Zirkl, unter den beiden Toten lag Michael Lottner, der während der Demonstration am Tag zuvor in der Kreisleitung erschossen worden war.

In seiner ersten Bekanntmachung – nach der Befreiung – wandte sich der neue Oberbürgermeister Gerhard Titze an die Bürger Regensburgs:

„3 Tage vor dem Einmarsch der Alliierten Truppen ist hier in Regensburg ein entsetzliches, durch ein Hitlergericht sanktioniertes Verbrechen geschehen. Der Domprediger Dr. Johann Maier ist dafür, dass er darum bat, die Stadt nicht im aussichtslosen Kampf zu verteidigen, zum Tode verurteilt und durch den Strang hin gerichtet worden.

Wir wollen dies niemals vergessen! Zur Erinnerung an diesen aufrechten und edlen Priester habe ich daher die Ritter von Epp-Straße in „Dr. Johann Maier-Straße“ umbenannt. Mit Domprediger Maier sind noch 2 weitere aufrechte Männer den Opfertod gestorben. Wir gedenken auch ihrer.

Darüber hinaus habe ich angeordnet, dass bei der Wiedereröffnung der hiesigen Schulen und jeweils am 24. April in allen Schulklassen in einer Ansprache des Domprediger Dr. Maier gedacht werden soll.“

Diese Mahnung und die Anordnungen des Oberbürgermeisters sollen hier zitiert sein. Denn sie wurden in Regensburg gründlich vergessen.

Erst Anfang der 70er Jahre, als Studenten der noch jungen Universität die „Initiative zum 23. April“ ergriffen, sollte sich das ändern. „Im Gedenken an die Nazi-Opfer – Seid heute wachsam!“ war ihre Losung, und der 23. April wurde ein fester Termin in unserem Kalender.

Um unserer Sache Gewicht und Ansehen zu verleihen, wandten wir uns an diejenigen, die es wissen mussten, Widerstandskämpfer gegen den Faschismus, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter.

Die Liste der Widerstandskämpfer und Gewerkschafter ist lang, die im Laufe der Jahre zum Gedenken an die letzten Regensburger NS-Opfer auf dem Dachauplatz zur Wachsamkeit aufriefen, hier nur wenige Namen:

Josef Felder, Emil Carlebach oder Martin Löwenberg traten gemeinsam auf mit Paul Köllner, Prof. Dr. Gustav Obermair, Christine Schanderl und Hanna Zellner.

Bewusst stellen wir uns in diese Tradition.

Widerstandskämpfer hatten damals eine andere Rolle als später die „Zeitzeugen“. Nicht so sehr ihre moralische Autorität war ausschlaggebend. Vielmehr waren sie der lebende Beweis, dass es auch anders ging im „3. Reich“, dass man widerstehen konnte. Nicht „alle“ hatten mitgemacht, wie man uns weismachen wollte. Ihre bloße Anwesenheit war ein Stachel in der allgegenwärtigen Verlogenheit im Umgang mit der „jüngsten“ Vergangenheit. Zudem waren sie nicht nur ehemalige Widerstandskämpfer und Verfolgte sondern aktuell weiterhin politisch aktiv. Wir wollten sie sehen und hören, egal ob wir ihre Meinung teilten oder nicht. Im Gegenteil, was wir selber sagen wollten, sagten wir auch selber.

Das Transparent mit den Namen der Colosseum-Häftlinge prägt den Gedenkmarsch durch die Stadt seit vielen Jahren. Die Erinnerung an die KZ Opfer geht mit uns zum Dachauplatz. „Gedenken ist eine Pflicht“, diese Widmung schrieb Otto Schwerdt jedem Schulkind in sein Buch „Als Gott und die Welt schliefen“.

Ein würdiges Gedenken an Opfer ist eine individuelle und zugleich eine gesellschaftliche Sache. Die nimmt uns niemand ab, (selbst wenn alle Inschriften passen und alle Steine gepflegt werden). Deshalb bekräftigen wir die Losung von damals: „Im Gedenken an die Nazi-Opfer – Seid heute wachsam!“ „Den Toten zur Ehr – den Lebenden zur Mahnung: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!