23. April Antifaschistischer Gedenktag

23. April 2020

Der Gedenkmarsch ist abgesagt – der 23. April als antifaschistischer Gedenktag bleibt.

Der Gedenktag erinnert an den 23. April 1945

  • als in den frühen Morgenstunden die Häftlinge das KZ Außenlagers Colosseum von Stadtamhof das letzte Mal über die Steinerne Brücke gingen, auf einen Todesmarsch getrieben, der erst acht Tage später bei Laufen an der Salzach endete. Die Befreiung vom faschistischen Terror erlebten nur wenige.
  • als am späten Nachmittag die Frauendemonstration die kampflose Übergabe der Stadt forderte, und Domprediger Dr. Johann Maier, Michael Lottner und Josef Zirkl nur vier Tage vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen dem Naziterror zum Opfer fielen.

Für uns ist der 23. April der Tag, an dem wir alle Opfer des Faschismus ehren und sagen: Im Gedenken an die Naziopfer: Bleibt wachsam ! Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

Wie alle anderen auch sagen wir alle Veranstaltungen bis auf weiteres ab.

17. März 2020

„Von Hof nach Albacete: Hofer im Spanischen Bürgerkrieg“

8. März 2020

VVN-BdA Veranstaltungen im März und April 2020  im Lize

Di 10.03. um 19 Uhr, im Lize (Linkes Zentrum, Dahlienweg 2A, Eingang Erikaweg, 93053 Regensburg)

Randolph Oechslein, „Von Hof nach Albacete: Hofer im Spanischen Bürgerkrieg“

Alle Veranstaltungen nach dem 10. März sind abgesagt.

Di 24.03. m 19 Uhr im Lize

Luise Gutmann, hate speech and freedom of expression oder sind rassistische Äußerungen durch die Meinungsfreiheit geschützt?

Di 21.04. um 19 Uhr im Lize

Michael Bothner, In Feindes Hand – Der Widerstand sowjetischer Kriegsgefangener

 Di 28.04. um 19 Uhr im Lize

Dr. Guido Hoyer, „Brüderliche Zusammenarbeit“ – die Widerstandsorganisation sowjetischer Kriegsgefangener während des Krieges im Deutschen Reich

Tabu-Bruch in Thüringen

geschrieben von Ulrich Schneider Bundessprecher der VVN-BdA

6. Februar 2020

Tabu-Bruch ist vollzogen: AfD als „Königsmacher“ in Thüringen

Mit Entsetzen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es ausgerechnet die FDP in Thüringen ist, die den Tabu-Bruch vollzogen hat, die Höcke-AfD in die Rolle als „Königsmacher“ zu bringen. Ihr Schachzug, im dritten Wahlgang der Wahl zum Thüringischen Ministerpräsidenten den eigenen Kandidaten Thomas Kemmerich gegen Bodo Ramelow ins Rennen zu schicken, ermöglichte es der AfD, eine von ihr behauptete „bürgerliche Mehrheit“ gegen die rot-rot-grüne Landesregierung zu schaffen. Und CDU und FDP ließen dies widerspruchslos zu. CDU-Chef Mohring erklärte blauäugig, man sei nicht verantwortlich für das Stimmverhalten anderer Parteien. Alle bisherigen vollmundigen Erklärungen der FDP und der CDU, man wolle nicht mit der AfD zusammenarbeiten und werde sich nicht auf deren Unterstützung einlassen, wurden dem Machtkalkül gegen die bisherige Landesregierung geopfert.

Wer auf diese Weise Rassisten hoffähig macht, ist vollkommen unglaubwürdig, wenn es um gemeinsames zivilgesellschaftliches Handeln gegen Neofaschismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Aspekte der Rechtsentwicklung geht. Die Wahl von Thomas Kemmerich wird in Thüringen – wenn es überhaupt gelingt – eine Regierung schaffen, die auf Gedeih und Verderb von der AfD abhängig ist. Das ist eine ernste Bedrohung für alle antifaschistischen Kräfte im Land und Einrichtungen, wie die KZ Gedenkstätte Buchenwald.

Deshalb ist zivilgesellschaftlicher Widerstand in jeder Form jetzt gefordert.

Droht die Zerschlagung der VVN-BdA Bundesvereinigung durch die Finanzämter?

24. Januar 2020

Erklärung unserer Bundesvorsitzenden Cornelia Kerth und Dr. Axel Holz

Liebe Freundinnen und Freunde der VVN-BdA

Am 6. Januar 2020 wurde der thüringischen Landesvereinigung (TVdN-BdA e.V.) der VVN-BdA vom Finanzamt Erfurt die Gemeinnützigkeit  erneut bescheinigt. Allerdings macht das Erfurter Finanzamt zur Auflage, dass der Thüringer Landesverband an die Bundesvereinigung keine Mittel mehr abführen darf.  Damit sind die der Bundesvereinigung zustehenden Anteile am Beitragsaufkommen gemeint.Darüber hinaus fordert das Finanzamt Erfurt nun „aus gemeinnützlichkeitsrechtlicher Sicht“, dass der Thüringer Verband „bei der nächsten Mitgliederversammlung“  seine Satzung zu ändern habe – was offenbar bedeutet, dass der Mittelfluss sogar satzungsmäßig unterbunden werden soll. Sollte der Thüringer Verband dieser Auflage nicht folgen, wird ihm mit Aberkennung der Gemeinnützigkeit gedroht, denn – so die Begründung – gemeinnützige Vereine  dürfen nur an andere „steuerbegünstigte Körperschaften“ Mittel weitergeben.

Hintergrund ist, dass der Bundesvereinigung am 4.11.2019 vom Berliner Finanzamt für Körperschaften 1 die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist,   wogegen diese Widerspruch  eingelegt hat. Am 16. Januar forderte das Finanzamt Saarbrücken die Landesvereinigung im Saarland auf, binnen drei Wochen zu erklären, wie sie künftig mit der  Mittelweitergabe an die nunmehr  nicht mehr gemeinnützige Bundesvereinigung verfahre.Sollte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit Rechtskraft erlangen ist also mit ähnlichen Auflagen wie in Thüringen in anderen Bundesländern zu rechnen.   Dies würde den Verlust der Haupteinnahmen der Bundesvereinigung und damit das Aus für den Verband bedeuten.Unser Landesverband Thüringen wird gegen diese Auflage Einspruch einlegen und beantragen, die Angelegenheit bis zur Entscheidung über den Einspruch  der Bundesvereinigung gegen den Berliner Bescheid ruhen zu lassen. Der Anwalt wird auch zur Anfrage im Saarland entsprechend Stellung nehmen.Es bleibt dabei: Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben!

Cornelia Kerth, Dr. Axel Holz               –              Bundesvorsitzende der VVN-BdA

Entzug der Gemeinnützigkeit – Wir nehmen Stellung: Dienstag, 3. Dezember, 19 Uhr Gewerkschaftshaus

25. November 2019

Eine Veranstaltung der VVN-BdA Oberpfalz und Regensburg in eigener Sache und mit Blick auf weitereBetroffene.

Entzug der Gemeinnützigkeit

geschrieben von Luise Gutmann

24. November 2019

Unserer Bundesorganisation der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten entzog das Berliner Finanzamt die Gemeinnützigkeit.

In Bayern erfolgte dieser Schritt bereits vor 10 Jahren. Seitdem haben wir – bisher noch erfolglos – juristische Schritte dagegen unternommen.

Bekanntlich wurden wir 1947 von Menschen gegründet, die gerade der Hölle der Nazis entronnen waren. Viele von ihnen hatten politischen Widerstand bereits vor und dann nach 1933 geleistet. Ihr Leben und ihre Gesundheit waren vielfach auf dem Spiel gestanden. Sie setzten sich wieder ein gegen alte und neue Nazis wie heute noch unsere Ehrenvorsitzende Esther Bejarano. Einige von ihnen, die die Möglichkeit hatten, hinterließen uns etwas von ihrem Vermögen. Wir sollten in ihrem Sinne weitermachen und es etwas leichter haben. Durch den Entzug der Gemeinnützigkeit drohen uns hohe Steuernachzahlungen. Weiß der Finanzminister, wessen Vermögen er hier einziehen läßt?

Ein Teil der Vorgeschichte ist unsere Erwähnung im bayerischen Verfassungsschutzbericht, auf den sich die Berliner Finanzbehörde stützt. Und den verantwortet der bayerische Innenminister. Dort bezeichnet man die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusst“. Manchmal frage ich mich, ob ich der Influencer bin oder die Beeinflusste. Aber das ist nur Unsinn. Das Label ist ein Stigma und als solches wirkt es. Natürlich ist man in seiner Tätigkeit beschränkt, wenn die Mittel beschränkt sind, wenn man wenig Geld hat. Aber die Wirkung eines Stigmas ist einschneidender. Die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit zu äußern und gehört zu werden, ist gelinde gesagt schwierig unter diesem Label. Wahr aber überhaupt nicht tröstlich.

Tröstlich ist die Solidarität, die wir schon in den ersten Stunden nach der für uns misslichen Nachricht erfahren haben. Eine Stimme möchte ich schon mal zitieren:

Es sei nicht hinnehmbar, wenn der Staat demokratisches Engagement gegen Rechtsradikale und Nazis sanktioniere, sagte der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde gegen Antisemitismus, Sigmount A. Königsberg, am Samstag als Gast auf einem Parteitag der Berliner Linken. „Was ist das für ein Zeichen?“, fragte er. Der Senat müsse hier klar Position beziehen.

ARGE ehem. KZ Flossenbürg würdigt sowjetische Kriegsgefangene am 8. Mai

7. Mai 2019

Die Gedenkstunde am findet statt am 8. Mai um 16 Uhr, Gedenkstein am Hohen Kreuz, Straubinger Straße Ecke Siemensstraße

Die Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg, die das Gedenken veranstaltet, gab dazu folgende Mitteilung an die Presse:

„Pressemitteilung

Mit Beginn der Eroberungsfeldzüge und Vernichtungskriege der Nazis wurden immer mehr deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus den überfallenen und unterdrückten Ländern „ersetzt“. So kamen auch bald nach dem Überfall auf Polen, Belgien, Frankreich und die Niederlande Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter nach Regensburg. In Dutzenden von Einzelarbeitsstellen und Sammellagern wurden diese teilweise gegen internationales Recht oder die mindesten ethischen und menschlichen Grundsätze versklavt und zur Arbeit gezwungen.
Entsprechend der menschenverachtenden, aber in ihrem kruden Rassismus tödlichen Logik der Nazis standen auf der untersten Stufe neben den Juden ab 1941 die sowjetischen Kriegsgefangenen. Sie wurden nicht nur durch die brutalen Arbeitsmethoden und die menschenunwürdige Behandlung, sondern auch durch gezielte Vernichtungsaktionen ohne rechtliche Grundlage – „Kommissarbefehl“ – ermordet. Als SchülerInnen 1982 das KZ-Außenlager „Colosseum“ (wieder)entdeckt und mit einem Teil ihres Preisgeldes eine Gedenktafel für die dortigen Toten gespendet hatten, musste der Stadtrat mehrere Jahre beraten: Schließlich sollte als Kompromiss der KZ-Toten des „Colosseums“ nur gleichzeitig mit den Geflohenen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie anderen Opfergruppen der Nazimorde gedacht werden. So wurde 1988 auch ein Denkmal für die in Regensburg Ermordeten und zu Tode gekommenen sowjetischen Kriegsgefangenen in Beisein der sowjetischen Generalkonsulin eingeweiht – und seither praktisch Vergessen: Ein, zwei Dutzend Bürgerinnen und Bürger dürften von der Existenz des Denkmals und seines Standorts wissen.

Am 8.5., dem Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, wird die Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg e. V. am Gedenkstein an der Straubinger Straße der Ermordeten erinnern und ihnen zur Ehre einen Kranz niederlegen. Wer sich anschließen möchte, kommt um 16 Uhr in die Straubinger Straße, Abzweigung Siemensstraße.“

Gedenkweg für die Opfer des Faschismus 23. April 2019 – Wir treffen uns um 18 Uhr in Stadtamhof

15. April 2019

Am Antifaschistischen Gedenktag Regensburgs, dem 23. April gehen wir den Gedenkweg zu Ehren der Opfer des Faschismus.

18 Uhr Beginn in Stadtamhof: Wir erinnern an das Außenlager des KZ Flossenbürg im Herzen der Stadt. In der Nacht zum 23. April 1945 wurden die verbliebenen 360 Gefangenen aus dem KZ-Außenlager Colosseum auf den Todesmarsch getrieben. Über die Steinerne Brücke, zunächst die Donau abwärts, dann weiter in Richtung Südosten. Erst am 1. Mai kam eine Gruppe von ca. 50 Überlebenden in Laufen a.d. Salzach an. – Die Station wird gestaltet von der Arbeitsgemeinschaft ehem. KZ Flossenbürg e.V. Gedenkweg für die Opfer des Faschismus 23. April 2019 – Wir treffen uns um 18 Uhr in Stadtamhof weiterlesen »

Ein „Mitläufer“ als Namenspatron? Anmerkungen zur Franz-Grothe-Schule (Städtische Musikschule) Weiden

geschrieben von Eckart Dietzfelbinger

13. April 2019

Einführung

Franz Grothe, geboren 1908 in Berlin, zählte zu den populärsten deutschen Komponisten und Dirigenten des 20. Jahrhunderts für Unterhaltungsmusik.

Grothes Vater war Pianist, die Mutter Konzertsängerin. Mit fünf Jahren erhielt der Sohn Violin-, dann Klavierunterricht. Sein musikalisches Talent war auffallend. Bereits im zehnten Lebensjahr entstanden erste Kompositionen. Grothe studierte an der Musikhochschule Berlin, in den 1920er Jahren gelang ihm als Komponist vieler Lieder für den Tenor Richard Tauber sowie mit Arrangements und Instrumentierungen für berühmte Musiker wie Emmerich Kalmán, Franz Lehár und Robert Stolz der Durchbruch. 1931 gründete er in Berlin mit der Edition Franz Grothe GmbH seinen eigenen Musikverlag.

Im Dritten Reich baute er seine Karriere aus. 1942 brachte er es zum stellvertretenden „Fachschaftsleiter Komponisten“ der Reichsmusikkammer und zum künstlerischen Leiter des „Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchesters.

Nach Kriegsende wurde er in einem Entnazifizierungsverfahren 1949 als „Mitläufer“ eingestuft. Ab 1950 konnte er in der Bundesrepublik seine Laufbahn fortsetzen. Er komponierte die Musik zu etwa 170 Filmen. Ab 1965 übernahm er in der Unterhaltungssendung „Zum Blauen Bock“ im Fernsehen als Dirigent die musikalische Leitung und verfasste mit Heinz Schenk über 400 Lieder, unter anderem für Rudolf Schock, Erika Köth u.a. Franz Grothe starb 1982.

Wie ist die Benennung der städtischen Musikschule Weiden im Jahr 1988 mit seinem Namen aus der Rückschau im 21. Jahrhundert einzustufen? Ist sie als Auszeichnung für einen populären und erfolgreichen Unterhaltungsmusiker zu verstehen? Bedeutet sie eine Relativierung oder gar Verharmlosung der NS-Staatsverbrechen? Oder beides? Solchen und weiteren Fragen möchte ich in diesem Referat nachgehen. Dazu darf ich Sie ganz herzlich begrüssen und bedanke mich bei den Veranstaltern für die Einladung.

Der Wahn vom tausendjährigen Reich des NS-Regimes hatte insgesamt mehr als 65 Millio­nen Menschen das Leben gekostet.[1] Der Name Franz Grothe sowie zehntausender anderer, die in dieser Zeit Karriere gemacht hatten, bleiben damit verbunden. Bei einer historischen Rückschau geraten die NS-Staatsverbrechen ins Zentrum, denn ihre Monstrosität ist in Worten und Zahlen zwar benennbar, aber nach unseren Vorstellungen nicht fassbar.

Etwa 350.000 Menschen wurden wegen echter oder vermeintlicher Erbkrankheiten zwangssterilisiert. 5000 Menschen starben an dem Eingriff.

Der „Aktion T4“, der sog. „Euthanasie“, d.h. der Ermordung schwer geistig oder körperlich behinderter Patienten in Heil- und Pflegeanstalten, fielen mindestens 200.000 Menschen zum Opfer.

Aufgrund des NS-Rassenwahns verloren mindestens sechs Millionen Juden in Europa ihr Leben. Etwa die Hälfte starb in den Vernichtungslagern. Die noch ungeklärte Gesamtzahl der ermordeten Sinti und Roma beträgt nach Schätzungen zwischen 200.000 und 500.000.

Das KZ-System als wichtigstes Instrument des Staatsterrors zielte auf die radikale und vollständige physische und psychische Zertrümmerung der Gefangenen. Eine genaue Zahl über die Opfer des KZ-Systems gibt es nicht, sie geht in die Hunderttausende.

Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht gegen die Sowjetunion kostete 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben. Mehr als jeder zweite der Soldaten der Roten Armee, die in Kriegsgefan­genschaft gerieten, überlebten sie nicht. Die Deutschen sperrten sie in Lager weg, wo sie verhungerten und verreckten: ein systematischer Massenmord an 3,3 Millionen Menschen, ohne Gaskammern und Genickschuss.

Etwa 26 Millionen Menschen wurden gezwungen, im Deutschen Reich und in den besetz­ten Gebieten für den NS-Staat meist unter härtesten Bedin­gungen zu arbeiten. Die größte Gruppe bildeten die rund 8,4 Millionen ins Reich ver­schleppten Zivilarbeiter – sog. Fremdarbeiter – Männer, Frauen und Kinder. Ihre Behand­lung folgte strikter rassistischer Hierarchie mittels eines drakonischem Strafsystems.

Die deutsche Justiz verhängte über 30.000 Todesurteile; die Wehrmacht-Justiz über 20.000 gegen Wehrmachtangehörige; insgesamt also mehr als 50.000, von denen über die Hälfte vollstreckt wurde.

Fast 6,5 Millionen Menschen aus Deutschland verloren ihr Leben. Dazu kommen die Zerstörungen von Städten, Dörfern, Gütern im Land und in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten. Sowie die physischen Verletzungen, Verstümmelungen, die psychischen Deformationen und Traumatisierungen bei den Menschen und ihre Auswirkungen auf die folgende Generation.

Ein eigenes Kapitel stellt das Thema NS-Raubgut dar.

 

„Belastung“

Entscheidend für eine Beurteilung über die Rolle von Franz Grothe im Dritten Reich ist die Frage, wie hoch er sich in der NS-Zeit belastet hat. Der Begriff ‚Belastung’ als solcher ist unscharf und problematisch. Der heutige Forschungsstand führt, gestützt auf eine sehr viel breitere Quellenbasis, zu einer zunehmenden Ausdehnung und auch Differenzierung des Täterbegriffs.

  1. 1. Zu fragen ist nach der relativen Belastung einer Person. Wer hat in welcher Form den Nationalsozialismus unterstützt? Der Begriff Verstrickung führt in die Irre. Es geht um Unterstützung im Alltag, die auch eine Unterstützung der NS-Herrschaft war.

Wie misst man Belastung? Aus der reinen Parteimitgliedschaft? Oder in Vorfeldorganisationen der NSDAP? Oder der Mitgliedschaft in der SS, die als ein relativ starker Belastungshinweis gilt, weil sie am engsten mit dem verbrecherischen Apparat des NS-Regimes verflochten war?

Die reine Parteimitgliedschaft ist relativ leicht feststellbar. Franz Grothe wurde seit dem 1.5.1933 als Mitglied Nr. 2.580.427 der NSDAP geführt. Dieser Umstand ist nicht so aussagekräftig. Da sind sich alle Historiker einig.

Über Grothes Motive für seinen Parteieintritt lässt sich nur spekulieren. Sympathien und Begeisterung für die neuen Machthaber, Karrieregründe, vielleicht auch Angst und anderes mögen dafür ausschlaggebend gewesen sein. Wir wissen es nicht. Denn Grothe stritt im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stets ab, aktiv der Partei beigetreten zu sein und behauptete, er wäre ohne eigenes Wissen aufgenommen worden. Da hat er gelogen. Auf Grund der im Bundesarchiv verwahrten und nach NSDAP-Gauen gegliederten Listen der Aufnahmescheine, die zusammen mit den Antragsformularen an den Reichsschatzmeister gesandt wurden, sowie der dabei entstandenen Korrespondenz zwischen Gau- und Reichsleitung, ist durch eine Vielzahl von Einzelfällen belegt, dass zur Durchführung des Aufnahmeverfahrens ein Aufnahmeantrag mit eigenhändiger Unterschrift vorgelegen haben muss. Aufnahmescheine ohne Unterschrift wurden vom Reichsschatzmeister unbearbeitet zurückgewiesen und an die zuständige Gauleitung mit Bitte um Berichtigung zurückgesandt. Ein unterschriebener Aufnahmeantrag war Bedingung für die Aufnahme in die NSDAP.[2] Dass das ausgerechnet bei Grothe anders gewesen sein soll, erscheint in keiner Weise plausibel.

Die NSDAP verstand sich nicht nur als politische Partei, die die Richtung bestimmte, sondern als revolutionäre Bewegung und parteigewordene Weltanschauung, die angetreten war, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu durchdringen. Kunst und Kultur als Basis und Ausdruck des „Volkstums“ zu verstehen, war als Idee nicht neu und nicht exklusiv nationalsozialistisch. Nie jedoch ist die damit implizite Ausgrenzung des Fremden in derartiger Konsequenz auf staatlicher Ebene realisiert worden.

Franz Grothe bekam das hautnah mit. Seine beiden wichtigsten Textdichter Karl Wilczynski und Fritz Rottner (1900-1984), der Berliner Jazzkönig Dajos Bela, Abraham Gorlinsky (1898-1982), der Geschäftsführer seiner Edition und andere wurden im Zuge der „Arisierung“, der Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus dem Wirtschafts- und Geschäftsleben durch das NS-Regime gezwungen, zu fliehen, um ihr Leben zu retten.

Dass Grothe ein überzeugter Nationalsozialist war, lässt sich aufgrund der bisherigen Recherchen nicht belegen. Darauf deutet auch sein Versuch hin, 1936 in Hollywood in den USA Fuß zu fassen, konnte er doch auf exzellente Referenzen als Komponist für den Tonfilm verweisen, dem er sich in den 1920er Jahren mit großem Erfolg verschrieben hatte. Als ihm dieser dort versagt blieb, reiste er im Dezember 1936 nach Wien. Im November 1937 lernte er die Norwegerin Kirsten Heiberg (25.4.1907-2.3.1976) kennen. Beide heirateten im Mai 1938 in Oslo. Heilberg wurde deutsche Staatsbürgerin, anschließend zogen sie nach Berlin.[3]

Aus einem denunziatorischen und antisemitischen Brief zu Grothe, verfasst von einem benachbarten Ehepaar vom Februar 1939 an den fränkischen Gauleiter Julius Streicher aber zu schliessen, Grothe habe eindeutig eine unangepasste Seite gehabt, weil er mit jüdischen Kollegen zusammengearbeitet hatte, wie es in dem im Februar 2019 erschienenen Band „Komponisten in Bayern“ zu Grothe vertreten wird, halte ich für gewagt.[4] Solche Briefe, gespeist aus Neid, Hass und anderen Motiven, waren im Dritten Reich an der Tagesordnung. Das perfide System der Bösartigkeit funktionierte in der Bevölkerung sehr gut. Die Denunziation erfolgte, weil sich die Volksgenossen Belohnung und Auszeichnung erwartet haben. Wir sind als Menschen verleitbar. Das Phänomen der Moderne ist, dass Diktaturen das Wertesystem vieler Menschen erodieren lassen. Gleichgültigkeit und Amtseifer gewinnen die Oberhand.

 

  1. Zu fragen ist nach der materialen Belastung einer Person. Gemeint damit ist das, was jemand im Dritten Reich konkret an NS-Unrecht getan hat. Oder an Förderung des Nationalsozialismus unternommen hat. Jemand hat z.B. antisemitische Texte veröffentlicht. Oder jemand war konkret als Richter, Staatsanwalt an NS-Unrecht beteiligt. Das Problem dabei ist, dass die materiale Belastung relativ schwer aus den Personalakten rekonstruierbar ist. Dazu muss man ganz eigene Forschung betreiben.

In der von Axel Jockwer 2004 vorgelegten Dissertation „Unterhaltungsmusik im Dritten Reich“, die auch im Internet einsehbar ist, ist Grothes aktive Rolle als führender Künst-ler in diesem Genre für den NS-Staat festgehalten. Deshalb stelle ich im folgenden die dazu relevanten Erkenntnisse der Arbeit vor. Unterhaltungsmusik war ein essentieller Bestandteil der Kulturproduktion und als solcher ebenso wie die Trägermedien in höchstem Maße in den staatlichen und parteiamtlichen Kontrollprozess eingebunden. Sie erfüllte durch die gelungene Suggestion einer scheinbar politikfreien Sphäre eine in hohem Maße systemstabilisierende und bis heute andauernde systemverklärende Wirkung, wie sie ein rein sanktionsorientierter Führungsstil nie hätte erbringen können.[5]

Franz Grothe gehörte zur Elite der deutschen Unterhaltungskomponisten, die 1934 im Deutschlandsender zum Tanz und Unterhaltung aufspielte; neueste Schlagerkom-positionen liefen unter wechselndem Motto vom Plattenteller.

Seit seiner Rückkehr 1938 nach Berlin stieg er mit der Musik für den Tonfilm Napoleon ist an allem schuld, in dem auch seine Frau Kirsten Heiberg mitspielte, zu einem Top-Filmkomponisten seiner Zeit auf. Er schrieb Musik für die Tänzerin, Schauspielerin und Sängerin Marikka Rökk, war beim ersten abendfüllenden deutschen Farbfilm dabei und nicht nur in Bezug auf seine Anerkennung ganz oben angekommen.[6]

 

Exkurs: „Deutsches Tanz- und Unterhaltungsorchester“ (DTUO)

Im Winterurlaub 1940/1941 in Zürs lernte Grothe den Jagdflieger Werner Mölders kennen, den erfolgreichsten Flieger der Legion Condor, die im Spanischen Bürgerkrieg an der Bombardierung der nordspanischen Stadt Guernica im April 1937 und anderen Scheußlichkeiten beteiligt war. Beide entwickelten eine Strategie, wie man Propagandaminister Joseph Goebbels die Gründung eines Big-Band-artigen Orchesters schmackhaft machen konnte. Vermutlich trat Mölders bereits im Frühjahr 1941 „bei einer Routinebesprechung“ an den Minister heran, der schließlich im September 1941 seinen Staatssekretär Leopold Gutterer anwies, mit den Planungen für ein „Reichsorchester für Unterhaltungsmusik“ zu beginnen.[7] Nach entsprechenden Vorbereitungen fand am 14. Oktober 1941 in der Berliner „Kameradschaft der deutschen Künstler” (KddK) eine erste Besprechung zwischen dem Sonderbeauftragten Goebbels für »Kulturpersonalien“ und Geschäftsführer der Reichskulturkammer, Hans Hinkel und diversen Kultur- und Radioschaffenden mit Grothe zur Gründung für ein „Deutsches Tanz- und Unterhaltungsorchester“ (DTUO) statt.[8] Weitere Treffen folgten.

Das DTUO war das Prestigeprojekt von Joseph Goebbels, das die deutsche Weltgeltung auch auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik sicherstellen sollte. Es wurde als GmbH gegründet, Alleiniger Gesellschafter war das Deutsche Reich. Für die Leitung bestimmt waren Franz Grothe und der erste Dirigent Georg Haentzschel.

Axel Jockwer schreibt dazu: „Das Motto des Ensembles war ein einziger Superlativ: Höchstes Protegé, renommierteste Leitung, beste Musiker. Mit ministerialer Macht wurde die Creme der Tanzmusiker des Reiches angeworben, aus bestehenden Verträgen gelöst und mit hohen Gehältern verpflichtet. Eine explizite Repräsentativfunktion war kon-stitutiv für das DTUO, der Vergleich mit der Weltgeltung der Berliner Philharmoniker wurde immer wieder herangezogen. Zudem versprach man sich eine stilbildende Vorbildfunktion für die Entwicklung der deutschen Tanzmusik, wenn der regelmäßige Rundfunkauftritt des DTUO in der Sendung „Melodie und Rhythmus“ allen aktiven Musikern als informativ bezüglich eines gegenwärtigen Musikstils ans Herz gelegt wurde.“ [9]

Von Anfang an gingen die das Orchester betreffenden weisenden Entscheidungen von Goebbels und Hinkel persönlich aus. Unterhaltungsmusik war in einem bis dahin nicht erreichten Maße kriegswichtig geworden. „Die Begleitmusik des Krieges im Dritten Reich stammte in erster Linie nicht von Richard Strauß, Werner Egk oder Paul Graener, sondern von Unterhaltungskomponisten wie Franz Grothe, Michael Jary, Theo Mackeben, Norbert Schultze, um nur einige Namen zu nennen. … Neue Marsch- und Soldatenlieder steigerten den Kampfgeist an der Front und in der Heimat, optimistische Schlager sorgten für den richtigen Zeitgeist, Tanznummern brachten Entspannung und Zerstreuung. Unterhaltungskapellen spielten für das Kriegswinterhilfswerk oder im Rahmen der Truppenbetreuung, populäre Künstler traten im „Wunschkonzert für die Wehrmacht“ auf oder unternahmen Gastspielreisen an die Fronten.“ [10]

Das DTUO hatte festgesetzte Rundfunk-Sendungen wie auch Konzerte im Sinne des Propagandaministeriums zu absolvieren. Auch das Komponieren von Propaganda-Musiken wie dem „populären Schlager für den kommenden Winter“ wurde von Grothe erwartet. Wir werden das Kind schon schaukeln (Text Willy Dehmel) von 1941 und ein Jahr später Wenn unser Berlin auch verdunkelt ist (Text BrunoBalz) sind Grothe-Kompositionen und typische Durchhaltelieder.

Somit war Franz Grothe 1942 als stellvertretender Fachschaftsleiter Komponisten, als Sendegruppenleiter „Gehobenere Unterhaltungsmusik und Operette“ im Rundfunk und als künstlerischer Leiter des DTUO einen ungeheuren Karrieresprung gelungen. Vor allem sein „Berliner Lokalschlager“ „Grüß’ mir die Berolina“ hatte es den braunen Machthabern angetan.[11] Im Film-Kurier, einer der einflussreichsten deutschen Filmzeitschriften und das erste deutsche Filmblatt, das täglich erschien, durfte er über seine Arbeit berichten.

Mit den NS-Machthabern blieb er auf Tuchfühlung. Fritz Hippler, Reichsfilmintendant und Produzent des antisemitischen Machwerks Der ewige Jude“, lud am 4. November 1942 auf Geheiß von Propagandaminister Joseph Goebbels in der Berliner „Kameradschaft der deutschen Künstler” (KddK) ausgewählte Unterhaltungsmusiker ein, darunter auch Grothe, um einen „Erfolgsschlager mit hundertprozentig optimistischer Grundhaltung” unter staatlicher Schirmherrschaft in die Welt zu setzen.

Nach einem Auftritt in einem Berliner Rüstungsbetrieb Anfang 1943 gab das DTUO sein erstes öffentliches Konzert Mitte März in der ausverkauften Berliner Philharmonie zugunsten des Kriegs-Winterhilfswerks. Das Konzert bildete den Auftakt einer ganzen Reihe von WHW-Konzerten des DTUO. Außerdem nahm Grothe musikalisch im Rahmen der Truppenbetreuung allein bis 1943 an ca. 120 „Berliner Künstlerfahrten“ u.a. mit seiner Frau Kirsten Heilberg und Marikka Rökk unter Leitung von Hans Hinkel teil.

Lutz Fahrenkrog-Petersen und Melanie Kühn bemerken dazu in dem Band „Komponisten in Bayern“: „Ob Grothe diese maßgebliche Stellung im System der Unterhaltung im „Dritten Reich“ auch innehaben hätte können, ohne Parteimitglied zu sein, ist diskutabel. Auch sein Verhalten als Chefdirigent des Orchesters, der in dieser Position jüdische Kopisten und nicht linientreue Musiker beschäftigt, was so weit geht, dass in dem Orchester nur ein einziges Parteimitglied spielt, lässt wenig Raum, ihn als überzeugten Nazi einzuordnen. Aber er sieht seine Chancen, forciert sein Weiterkommen und tut das, was von ihm erwartet wird. Er liefert seine Arbeit pünktlich, professionell und erfolgreich ab. So gesehen ist Grothe ein perfekter Baustein im System der Diktatur.

Einen unschätzbaren Vorteil hat sein neues Engagement, er ist UK gestellt, also unabkömmlich und wird ebenso wie seine Orchestermitglieder, Techniker und Kopisten nicht zum Wehrdienst eingezogen.“ [12]

Wegen der verstärkten Bombardements verlagerte das DTUO nach der Zerstörung des Proberaums Mitte 1943 seinen Sitz im folgenden Winter nach Prag. Grothe verließ das Orchester am 31. Januar 1944 und widmete sich neuen Filmprojekten.

Über den Holocaust, die bevorstehende totale Kriegsniederlage und das Vorrücken der alliierten Streitkräfte dürfte Grothe in seiner Spitzenposition und mit direkter Verbindung zur Führungsriege des Propagandaministeriums informiert gewesen sein. Die jüngste Forschung zum Informationsgrad der Bevölkerung über den Völkermord an den europäischen Juden und anderen Minderheiten hat die angebliche deutsche Unkenntnis über das Schicksal der Juden als mythisches Konstrukt der Nachkriegszeit bloßgestellt. Nach Auswertung der zeitgenössischen Quellen steht zweifelsfrei fest, dass der Judenmord ab Anfang 1943 in Deutschland kein Geheimnis mehr war. Die Deportationen spielten sich innerhalb des Reichsgebietes vor aller Augen ab.[13] Aber die meisten kannten die volle Wahrheit, das Ausmaß und die Methode systematischer Judenvergasung bis zuletzt nicht. Information und Wissen klafften zum Teil auf paradoxe Weise auseinander. Die Ermordung der europäischen Juden war ein Vorgang, der die Vorstellungskraft überforderte.

Beim Wissensstand gab es ein Ost-West-Gefälle. In Berlin wusste man mehr als in der Provinz und in der Stadt mehr als auf dem Land. Personen mit früheren Kontakten zu Juden wie Grothe wussten mehr als Personen, die nicht über solche Verbindungen verfügten.

Die Kriegsereignisse verdrängten die „Judenfrage“ aus dem allgemeinen Bewusstsein, trotz fortwährender antisemitischer Propaganda. Das Dritte Reich war das Regime, das den höchsten klassen- und milieuübergreifenden Zustimmungsgrad in der deutschen Geschichte erreichte. Die Menschen jagten dem kleinen Vorteil hinterher. Mehr wollten die Nationalsozialisten  nicht, mehr brauchten sie nicht. Passivität reicht, damit eine totalitäre Diktatur funktioniert.[14]

 

 

Entnazifizierung

Die Antihitlerkoalition, angeführt von den USA, Großbritannien und der Sowjetunion hatten sich bereits während des Krieges darauf verständigt, das NS-Regime komplett zu zerschlagen, NS-Kriegsverbrecher zu bestrafen und eine Demokratisierung Deutschlands auf den Weg zu bringen. Im Sommer 1945 bestätigten die Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz im gleichnamigen Abkommen diese Ziele als Kernbestand gemein­samer Zielsetzungen der Alliierten für ihre Deutschland-Politik.

Wegen der antagonistischen Gesellschaftssysteme – in den USA und den westlichen Staaten mit einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, in der Sowjetunion mit einer Zen-tralverwaltungswirt­schaft unter der Leitung der Zentralorgane der kommunistischen Staatspartei – trugen diese Vereinbarungen Kompromisscharakter. Noch 1945 traten diese Widersprüche offen hervor. Als Folge brach die Allianz zur Niederwerfung des Nationalsozialismus in den folgenden Jahren Stück für Stück auseinander. Der Kalte Krieg setzte ein.

Die Anfänge der Entnazifizierung begannen konsequent. Die USA übernahmen mit den Dachauer Prozessen über Untaten des KZ-Personals und mehr noch mit dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess die politisch-moralische Führungsrolle bei der Ahndung von Kriegs- und NS-Verbrechen – das demonstrative Vorgehen gegen die belasteten militärischen, bürokratischen und wirtschaftlichen Eliten.

Die deutsche Bevölkerung war der alliierten Ahndungspo­litik nahezu von Anfang an widerstrebend begegnet. Schlussstrichmentalität, der Wunsch nach Neubeginn um den Preis des Vergessens, die Erfah­rungen von Bombardierung und Vertreibung und Schuldgefühle begründeten eine tiefe Kluft zu den überle­benden Opfern des Nationalsozialismus. Als nach etwa 20 Hauptkriegsverbrechern weitere Mitglieder gesellschaftlicher Eliten in den Nürnberger Nachfol­geprozessen zur Rechenschaft gezogen wurden, schlug die Stimmung um; Ressentiments und Unmut gegen die US-Militärregierung nahmen zu, die zunehmend unter Druck geriet. Sie erliess deshalb in Absprache mit den Ministerpräsidenten der Länder im März 1946 das „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ (Befreiungsge­setz). Es übertrug die Durchführung der Entnazifizierung deutschen Stellen und schrieb die individuelle Prüfung jedes Einzelfalles vor.

Für die Entnazifizierung war nun Laiengremien verantwortlich: die Spruchkammern. Davon betroffen waren rund 13 Millionen Men­schen, 3,5 Millionen Fälle waren zu verhandeln und in fünf Gruppen einzustufen: Haupt­schuldige, Belastete, Minder-belastete, Mitläu­fer, Entlastete. Die organisatorischen Anlaufschwierigkeiten waren beträchtlich. Erst im Herbst 1946 stand ein halbwegs funktionierender Apparat zur Verfügung.

Gegen den ausdrücklichen Willen der US-Militärregierung konzentrierten sich die Spruchkammern auf die Bearbeitung der weniger Belasteten, die auf der Straße standen, weil sie vorher durch die Amerikaner entlassen worden waren, und bewirkten damit deren Reha­bilitation in den Arbeitsmarkt. Entnazi­fizierung und Rehabilitierung verschmolzen so zu ein und demselben Vorgang, bis die Entlastung die Säuberung völlig überwog. Bald erstickte die Masse der Fälle in einer Fülle von gegenseitigen Unbedenklichkeitserklärungen, den „Persil­scheinen“. In vielen Betrieben mit belasteten Chefs setzte die jeweilige Leitung zu deren Gunsten entsprechende Erklärungen auf und sammelte dazu  mit mehr oder weniger Druck die Unterschriften der Angestellten ein. Gestützt darauf erklärten die Kammern die meisten ehemaligen Parteimitglieder mit meist frei erfundenen, teils abenteuerlich wirkenden Begründungen zu „Mitläufern“.[15]

In der am 23. Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland besteht mit der Schaffung des Grundgesetzes eine parlamentarische Demokratie. Das offizielle staatliche Bekenntnis der Abkehr vom Nationalsozialismus und die Berufung auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung schloß die historische Verantwortung für die NS-Verbrechen in Form von sog. Wiedergutmachungszahlungen, besonders an Israel, ein. Das Leugnen des Holocaust und die Verherrlichung des NS sind gesetzlich verboten.

Dieses Bekenntnis wirkte entlastend, indem es stellvertretend ein staatliches Schuldbewußtsein artikulierte, das die einzelnen Bürger und Bürgerinnen gerade nicht zustande brachten. Im Sog des Kalten Krieges und dem neu aufgelegten Antikommunismus als einer wirkungs­mächtigen ideologischen Kontinuitätslinie machte die Gesellschaft in Westdeutschland den „Großen Frieden mit den Tätern“, wie es der Publizist Ralph Giordano formuliert hat. Die Verabschiedungen der drei Straffreiheitsgesetze 1949, 1951 und 1954 garantierten in verschiedenen Bereichen der staatlichen Verwaltung personelle Kontinuität früherer teils hochrangiger Beamten aus der NS-Ministerialbürokratie und NSDAP-Mitglieder. Die frühere Partei­mitgliedschaft wurde geradezu eine Voraussetzung für die Einstellung in den öffentli­chen Dienst. Alle untergeordneten Behörden mussten bei Androhung von Geldbußen 20 Prozent der neu geschaffenen Stellen mit Beamten der NS-Zeit besetzen.

Die westdeutsche Justiz reagierte auf die Versuche der Aufklärung von NS-Verbrechen mit zahllosen Verfahrenseinstellungen, Freisprüchen und einer milden Urteilspraxis. Daran vermochte das Bemühen einzelner Strafermittler, Staatsanwaltschaften und Gerichte um eine konsequente Strafverfolgung nichts zu ändern. Das Erbe der Nürnberger Prozesse wurde von Politik und Gesellschaft zum Teil schroff abgelehnt.[16]

 

Damit komme ich zu Franz Grothe zurück. Er musste sich der „Entnazifizierung“ der US.Militärregierung unterziehen. Auf dem auszufüllenden Fragebogen beantwortete er alle Angaben korrekt, verleugnete jedoch seine Mitgliedschaft in der NSDAP. Als in der erhalten gebliebenen Mitgliederkartei seine Karte mit Namen, Adresse, Beruf und Mit-gliedsnummer gefunden wurde, widerrief die US-Militärregierung seine vorher erteilte Arbeitsgenehmigung und ließ ihn wegen Falschangabe auf dem Fragebogen zur Fahndung ausschreiben. Seit April 1946 befand sich sein Name auf der geheimen „White, Grey and Black List“ der amerikanischen Information Control Division unter der „Black“-Kennzeichnung unaccaptable, d.h., ihm sollte unter keinen Umständen die Arbeit in deutschen Medien erlaubt sein. Grothe versucht sich mit Auftritten u.a. in der französischen Besatzungszone, auch zusammen mit Kirsten Heiberg, über Wasser zu halten. Im Herbst 1946 verurteilte ihn ein amerikanisches Militärgericht zu einer empfindlichen Geldstrafe von 10.000 RM. Zwischenzeitlich wurde seine Musik, die seit 1946 am Berliner Rundfunk gesperrt worden war, dort ab März 1948 wieder zugelassen, da sich ehemalige Kollegen wie Georg Haentzschel und Ralph Maria Siegel für ihn einsetzen. 1948 kam es betreffend seiner Entnazifizierung zu einer Spruchkammer-Verhandlung in Weilheim. Am 21. April 1948 erhielt er eine Nicht-Betroffenen-(NB)-Karte, unter deren Vorlage er sich sogleich in Hamburg bei Film und Rundfunk um Arbeit bewarb. Doch der amerikanische Licensing Adviser der Information Services Division fragte im Juni 1948 in Weilheim nach, wie es trotz Grothes Parteimitgliedschaft zur Ausstellung der NB-Karte kommen konnte, verlangte deren Rückgabe und regte eine Wiederaufnahme des Verfahrens an, die die Hauptkammer München 1949 durchführen sollte. Die Klageschrift von September 1949 enthielt den Antrag, Grothe in Gruppe II (Belastete) einzureihen.

Die Spruchkammer München stufte Franz Grothe am 8. November 1949 als „Mitläufer“ (Gruppe IV) ein und verurteilte ihn zu einer Sühne-Zahlung von 500 DM und der Übernahme der Verfahrenskosten. Grothe sei zu keiner Zeit politisch für den Nationalsozialismus tätig gewesen. Er habe keinerlei besondere Förderung aufgrund seiner Parteizugehörigkeit genossen. Es gebe eine Reihe von eidesstattlichen Erklärungen von Zeugen, die ihm ein erkennbar neutrales Verhalten zum System und den Kontakt zu bzw. Hilfe für jüdische Mitbürger bestätigten.[17]

Zur Benennung der städtischen Musikschule Weiden

Gesellschaften und alle Formen von sozialen Gruppen bilden ein kollektives Gedächtnis für die eigene Identitätssicherung und -stabilisierung aus. Wenn sich Individuen erinnern, verwenden sie stets gesellschaftliche Bezugsrahmen und Deutungsmuster für die Vergangenheit, es gibt kein mögliches Gedächtnis außerhalb von ihm. Diese Bezugsrahmen werden immer neu festgelegt. Sie entscheiden darüber, wie und was von der Vergangenheit zur Sprache gebracht wird und sich für jede Epoche im Einklang mit den herrschenden Gedanken der Gesellschaft befindet.[18]

Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 und der Fall der Mauer bedeuteten einen Epochenbruch. Nach Jahrzehnten heftiger Auseinandersetzungen und Konflikte hat sich seitdem in der Bundesrepublik Deutschland eine starke Gedenk- und Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Herrschaft etabliert. Denn die Legitimation des deutschen Einigungsprozesses nach 1989/90 verlangte eine unzweideutige Annahme der staatlichen Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus. Mit der Bestimmung des 27. Januar zum öffentlichen Gedenktag an die Befreiung des KZ- und Vernichtungslagers Auschwitz, dem Parlamentsbeschluß zur Errich­tung des „Holocaust-Denkmals“ in Berlin sowie der Verabschiedung der Bun­desgedenkstättenkonzeption 1999 bekannte sich die Bundesrepublik im Bewußtsein der histori­schen Zäsur nominell zum Erinnern an die NS-Opfer bzw. zum negativen Gedenken als einer nationalen Aufgabe, die sich auch als „Nationa­lisierung negativen Gedenkens“ umschreiben läßt. Negatives Gedenken meint die Bewahrung eines öffentlichen, selbstkritischen Gedächtnisses an von den eigenen Staatsangehörigen an Anderen begangenen Staats- bzw. Gesellschaftsverbrechen und die damit verbundene Verantwortungsübernahme einschließlich des Ziehens praktischer Konsequenzen, so der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Volkhard Knigge.[19]

In diesem Verständnis der gegenwärtigen Erinnerungskultur würde sich ein intensives und seriöses Nachdenken über die Benennung der Musikschule Weiden nach Franz Grothe geradezu anbieten. Denn rückblickend besteht zumindest auf den ersten Blick der Eindruck, dass 1988 das Begehren von Angehörigen der jeweiligen politi­schen Mehrheiten, damals der Christlich Sozialen Union und der Franz Grothe-Stiftung den Ausschlag gab, mit der Benennung zu versuchen, Grothe langfristig im kollektiven  Gedächtnis der Bundesrepublik zu positionieren. Dabei zeigt ein Blick in die Geschichte, dass solche Versuche nur in den seltensten Fällen gelangen. Weil eben der Bezugsrahmen für das kollektive Gedächtnis ständig neu festlegt wird.[20] Dem wird sich die Stadt Weiden nicht entziehen können.

Laut dem Vorlagebericht für den Weidener Stadtrat im vergangenen Herbst 2018 wurden bei der Entscheidung, die Benennung der Schule beizubehalten, genau die Argumente der Spruchkammer München von 1949 angeführt. Auch die Angaben von 1988, als die Musikschule in Weiden aufgrund eines Stadtratsbeschlusses seinen Namen erhielt, wurden für bare Münze genommen und dienten erneut als Entscheidungsgrundlage. Beide Zeitphasen und der jeweilige Stand der Erinerungskultur wie der Forschungslage wären jedoch bei einer seriösen Auseinandersetzung zu dieser Frage kritisch zu reflektieren. Das ist nicht erfolgt. So wirkt mit Blick auf die heutige Erinnerungskultur der Beschluss vom Herbst 2018 bizarr.

Es wären also Formen zu entwickeln, die der Struktur des kollektiven Gedächtnisses und damit zugleich auch der Ambivalenz und Umstrittenheit der Figur Franz Grothe gerecht werden. Das wird weder durch ein einfaches Umbenennen der Musikschule noch durch ein bloßes Beibehalten des bisherigen Namens möglich sein. Zu berücksichtigen wäre dabei auch die Sicht von NS-Opferverbänden, für die solche Benennungen, von denen es in Deutschland  hunderte gibt, eine Kränkung und eine Zumutung bedeuten. Überlebende dieser Opfergruppen haben nach 1945 jahrzehntelang aus Scham geschwiegen. Sie blieben mit wenigen Ausnahmen gesellschaftlich geächtet, vermochten keine Interessengruppen zu bilden und sich öffentlich wirksam zu Wort zu melden. Narrative aus der NS-Zeit wie Kommunist”, Asozialer” oder Zigeuner” wirken zum Teil bis heute fort.

 

 

Zusammenfassung / Fazit

 

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Verbrechen in der NS-Zeit ist ein unverzichtbares Element der pluralen Kultur der Bundesrepublik. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der Rolle von Franz Grothe für die Unterhaltungsmusik im Dritten Reich. Sie vermag den Blick dafür schärfen, dass Kernelemente der NS-Ideologie wie Demokratieverachtung, Antisemitismus, rassistisch und nationalistisch begründete Überlegenheits- und Machtansprüche einen negativen Horizont menschlicher, politischer und gesellschaftlicher Möglichkeiten darstellen. (V. Knigge).

„Im Dritten Reich vollzog sich ein von oben unterstützter Aufstieg der Unterhaltungsmusik und deren Protagonisten bis in die Ebene des staatlich Repräsentativen hinein. Entscheidender als der jahrelange Kampf um eine ominöse „Niveauhebung“ der Unterhaltungsmusik und damit verbundene soziale Aufwertung der Musiker wurde das Arrangement mit der Politik und die Verwendungsfähigkeit im Krieg.“ [21]

Franz Grothe war als Topkünstler darin an vorderster Stelle eingebunden. Er war kein Kriegsverbrecher. Aber durch sein systemloyales Verhalten mit Tuchfühlung zur Politaristokratie des NS-Staates hat er zur Verlängerung des Krieges und zur Ausweitung des Völkermords durch das NS-Regime beigetragen. Das ist seine persönliche Verantwortung. Deshalb bleibt Franz Grothe eine historisch belastete Persönlichkeit.

Sein Beispiel verdeutlicht außerdem, dass die Ausnutzung der durch den Nationalsozialismus geschaffenen Möglichkeiten zu gesellschaftlichem Aufstieg und Anerkennung nicht unbedingt mit der Zustimmung für die grundlegenden ideologischen Parametern der Politik des Regimes verbunden sein mussten.

Nach der totalen Katastrophe und dem Kriegsende hat sich Franz Grothe nicht zu seiner Verantwortung bekannt. Die Einstufung zum „Mitläufer“ durch eine Spruchkammer 1949 gehört zur wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, dass die Millionen Mitglieder der NSDAP und andere Mitläufer großzügig in die Demokratie integriert wurden, deren Abschaffung sie zuvor entweder leidenschaftlich betrieben bzw. ihre Zerstörung toleriert hatten. Diese Lebenslüge ermöglichte Franz Grothe die Fortsetzung seiner erfolgreichen Karriere.

Die Stadt Weiden war im Herbst 2018 nicht gut beraten, den Empfehlungen der Franz Grothe-Stiftung für eine Beibehaltung der Benennung der Musikschule mit seinem Namen Franz Grothe zu folgen. Der aktuelle Forschungsstand zum Nationalsozialismus betreffend seiner Person, das, was ich Ihnen heute abend zu seiner Rolle im Dritten Reich vortragen durfte, war bei dem Beschluss des Weidener Stadtrats für die Benennung der Musikschule mit dem Namen des Komponisten 1988 nicht bekannt, wohl aber 2018. Seine Leistungen, sein musikalisches Genie und seine Bedeutung für die Unterhaltungsmusik des 20. Jahrhunderts die damals den Ausschlag für die Benennung gegeben haben, stehen außer Frage. Doch als Vorbild und Namensgeber für die städtische Musikschule Weiden in dem pluralen Staatswesen Bundesrepublik Deutschland und einer Verfassung, die in der Achtung der Würde des Menschen eines der fundamentalen Grundrechte sieht, ist Franz Grothe wegen seiner historischen Belastung nicht geeignet.

Deshalb ist die Beibehaltung der Benennung der Weidener Musikschule aufgrund des dargestellten Kontextes und nach dem Verständnis der deutschen Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert seriös nicht mehr vermittelbar.

Ausdrücklich plädiere ich dafür, in Zukunft auf die Benennung von Straßen­namen und Gebäuden nach Personen der Zeitgeschichte möglichst zu verzichten. Nur dadurch kann der Offenheit, aber auch der konstitutiven Zeitabhängigkeit von Erinnerungs­prozessen für das kollektiven Gedächtnis Rechnung getragen werden.

 

[1] Rolf Dieter Müller: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 10. Band, ohne Seitenangabe, München 2008.

[2] https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Aus-unserer-Arbeit/Textsammlung-NSDAP-Aufnahmeverfahren/zum-nsdap-aufnahmeverfahren.html?chapterId=34072

[3] Komponisten in Bayern Band 64 Franz Grothe. Herausgegeben im Auftrag des Tonkünstler-verbandes Bayern e.V. im DTKV von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer in Zusammenarbeit mit der Franz Grothe-Stiftung. München 2019, S. 15/16.

[4] Ebenda S. 83. Der Brief ist abgedruckt auf S. 19/20.

[5] Axel Jockwer: Unterhaltungsmusik im Dritten Reich. Dissertation, Universität Konstanz, 2004, S. 2. Die Arbeit ist abrufbar unter:

http://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/3454/Jockwer.pdf?sequence=1

Ernst Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Überarbeitete Ausgabe. Frankfurt/M. 2009, S. 182.

[6] Komponisten in Bayern Band 64, a.a.O., S. 21

[7] Wolfram Knauer (Hg.): Jazz in Deutschland, Darmstadt 1996. Darin: Horst Bergmeier/Lotz Rainer: Charlie and his Orchestra. Ein obskures Kapitel der deutschen Jazzgeschichte, S. 23.

[8] Protokoll der Sitzung vom 14.10.1941, BA R55 /695, 2f. Anwesend waren die Komponisten Franz Grothe, Georg Haentzschel, Kurt Mackeben, Norbert Schulze, Willy Richartz, der Pianist Michael Raucheisen, der schlesische Kabarettist Ludwig Manfred Lommel, Willi Schaeffers, Direktor des Berliner „Kabaretts der Komiker“, Anton Winkelnkemper, Auslandsdirektor des Großdeutschen Rundfunks, Martin Schönicke, Stellvertreter des Reichssendeleiters.

[9] Axel Jockwer: Unterhaltungsmusik im Dritten Reich. Dissertation, a.a.O., S. 542. Grothe sollte ein monatliches Festgehalt von 2.000,- RM, Haentzschel von 1.700,- RM verdienen, dazu gab es für beide pro dirigierter Veranstaltung ein Fixum von 200,- RM. Pro Musiker waren durchschnittlich stattliche 1.250,- RM eingeplant. (S. 496)

[10] Ebenda, S. 182, 183.

[11] Ebenda, S. 251, 252.

[12] Komponisten in Bayern, a.a.O., S. 22

[13] Bernward Dörner, Die Deutschen und der Holocaust. Was niemand wissen wollte, aber jeder wissen konnte, Berlin 2007.

Saul Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Verfolgung und Vernichtung 1933-1945. Schriftenreihe Band 565, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2007, S. 324 ff.; 539.

[14] taz, 15./16.1.2005. Interview mit Götz Aly.

FAZ, 3.8.2005. Götz Aly: „Wohin floß das Geld?“: „Die NSDAP verstand sich als Sachwalterin der kleinen Leute, sah sich dem Egalitarismus der Volksgemeinschaft verpflichtet und scheute vor jeder Zwangsmaßnahme, etwa dem Zwangsspa­ren, und vor jeder breitenwirksamen Steuererhöhung zurück. Hitler-Deutschland wurde im Krieg zum Umverteilungsstaat par excellence. So erklärt sich die hohe innere Stabilität … So entwickelte sich eine volkstümliche Einheit von Wirtschafts-, Sozial- und Rassenpolitik … “

[15] Von braunen Flecken und weißen Westen. Entnazifizierung in Bayern. Eine Dokumentation von Jutta Neupert. Bayerischer Rundfunk 2007.

[16] Norbert Frei:Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996, S. 29-53; 69-131.

[17] Komponisten in Bayern, a.a.O., S. 25/26.

Nach Art. V der Kontrollratsdirektive Nr. 38 der Siegermächte war Mitläufer, „wer nur als nomineller Parteigänger an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft teilgenommen oder sie unterstützt hat“, insbesondere „wer als Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen lediglich Mitgliedsbeiträge bezahlt, an Versammlungen, deren Besuch obligatorisch war, teilgenommen oder unbedeutende oder laufende Obliegenheiten, wie sie allen Mitgliedern vorgeschrieben waren, wahrgenommen hat.“

[18] Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Beziehungen. Frankfurt/M. 2008, S. 159.

Der Wandel dieser Bezugsrahmen ist abhängig von inneren und äußeren Faktoren. Als wichtigste sind zu nennen:

– sozial: der Generationenwechsel innerhalb einer Gesellschaft.

– außenpolitisch: die Beziehung zu anderen Staaten wie Israel, Polen oder Frankreich, die selbst Opfer deutscher Aggression und Vernichtungsgewalt geworden sind.

– innenpolitisch: der Wechsel des politischen Systems.

[19] Volkhard Knigge: Abschied von der Erinnerung – Zum notwendigen Wandel der Arbeit der KZ-Gedenkstätten in Deutschland. In: Topographie des Terrors (Hg.), Gedenkstätten-Rundbrief 4/2001, S. 136-142.

Michael Reinold: Die Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes. In: Topographie des Terrors (Hg.), GedenkstättenRundbrief 10/1999, S. 22-31. M. Reinold war von 1996 bis 1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“ an der Erarbeitung der Konzeption beteiligt.

[20] „Erinnerung hängt demnach nicht – oder weniger als zumeist unterstellt – von Vergangenheit ab. Eher ist es umgekehrt. Vergangenheit entsteht erst dadurch, daß sie erzählt, aufgeschrieben und dargestellt wird, ob in Denkmälern oder an Gedenktagen, in Dokumentationen, wissenschaftlichen Deutungen oder in epischen Werken. Maßgeblich sind also die Motive und Modalitäten der Konstruktion“: Peter Reichel: Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit. München/Wien 1995, S. 19.

[21] Axel Jockwer: Unterhaltungsmusik im Dritten Reich, a.a.O., S. 56.

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